Nach der Ermordung Hugo Helbings wurde sein Andenken systematisch aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt. Erst mit der Dissertation „Kunsthandel im Nationalsozialismus. Adolf Weinmüller in München und Wien“ (2012) der Kunsthistorikerin Meike Hopp begann eine intensivere wissenschaftliche Auseinandersetzung mit seiner Person und seinem Wirken.
Seither rückt die Provenienz- und Kunstmarktforschung verstärkt die umfangreichen, teils annotierten Auktions-, Protokoll- und Verkaufskataloge der Kunsthandlung Helbing in den Fokus. Diese dokumentieren über 800 Auktionen zwischen 1887 und 1937 und bieten detaillierte Informationen zu Provenienzen, Einlieferern, Käufern, Preisen und kunsthistorischen Zuschreibungen. Herausragend ist ein Konvolut von 698 Katalogen (1895–1937), das 2016 dem Zentralinstitut für Kunstgeschichte von der Kunsthandlung Rudigier geschenkt wurde. Weitere bedeutende Bestände befinden sich in der Bibliothek des Kunsthaus Zürich (375 Kataloge) sowie als Dauerleihgabe des Auktionshauses Karl & Faber am Zentralinstitut (187 Kataloge).
Mit dem Aufbau des digitalen Portals „German Sales“ (seit 2010) wurden zunächst unannotierte, später auch handschriftlich ergänzte Helbing-Kataloge digitalisiert und wissenschaftlich erschlossen. Sie gelten als Schlüsselquellen für die Rekonstruktion von Sammlungsgeschichten, Marktmechanismen und künstlerischen Geschmacksentwicklungen um 1900. Im Fokus steht die Systematisierung der Annotationen und deren strukturierte Erfassung.
Beteiligt an diesem von der DFG geförderten Folgeprojekt sind die Universitätsbibliothek Heidelberg, das Zentralinstitut für Kunstgeschichte sowie Prof. Dr. Meike Hopp (TU Berlin). Insgesamt sind heute 1067 annotierte Handexemplare aus dem Auktionshaus Helbing bekannt – wichtige Zeugnisse des Geschäftsbetriebs vor der NS-Arisierung, deren Weg nach 1933 noch nicht vollständig erforscht ist.
2016 widmete das Zentralinstitut für Kunstgeschichte dem Auktionshaus die Ausstellung „Hugo Helbing: Auktionen für die Welt“, kuratiert von Meike Hopp und Melida Steinke. Parallel entstand eine digitale Version auf Google Arts & Culture. Seit demselben Jahr findet zudem jährlich die „Hugo Helbing Lecture – Exploring the Art Market“ statt, die auf Initiative von Johannes Nathan ins Leben gerufen wurde.
Seit März 2022 finanziert das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste das hier repräsentierte „Helbing Art Research Project“. Ziel ist die Rekonstruktion von Helbings Privatsammlung und die Erforschung der Wege der verschollenen Werke. Durchgeführt wird das Projekt von Dr. Johannes Nathan in Kooperation mit Prof. Dr. Meike Hopp an der TU Berlin.
Über die Website und „App Munich Art to Go“ können Interessierte seit 2021 auch vor Ort in München die Spuren Hugo Helbings nachvollziehen.
Literatur
- Cosima Dollansky: Die Galerie Hugo Helbing im deutschen Kaiserreich Ein Beitrag zur Firmengeschichte 1885–1914, München 2021.
- Maria Effinger, Theresa Sepp: Handexemplare des Auktionshauses Hugo Helbing als (digitale) Quelle für die Forschung. In: Alice Cazzola, Lucy Wasensteiner, Meike Hopp (Hrsg.): Wenn Bilder sprechen: Provenienzforschung zu Max Liebermann und seinem Netzwerk, Heidelberg 2022, arthistoricum.net.
- Georg Gerleigner: Die Sammlung Georg Dehn und die annotierten Auktionskataloge der Galerie Helbing als Quelle für Provenienzforschung in der Antikensammlung Erlangen, in: RETOUR. Freier Blog für Provenienzforschende, 13.04.2022.
- Meike Hopp, Steinke Melida: »Galerie Helbing« – Auktionen für die Welt. In: Deutsches Zentrum Kulturgutverluste (Hrsg.): Provenienz & Forschung. Deutsches Zentrum Kulturgutverluste Dresden, Sandstein, Dresden 2016 (1), S. 54–61.
- Meike Hopp: Kunsthandel 1938, in: Atlan, Eva/Gross, Raphael/Voss, Julia (Hrsg.): 1938 – Kunst, Künstler, Politik, Wallstein, Göttingen 2013.
- Meike Hopp: Kunsthandel im Nationalsozialismus: Adolf Weinmüller in München und Wien. Dissertation. Böhlau, Köln / Weimar / Wien 2012, S. 74–98.
Wolfram Selig: „Arisierung“ in München, die Vernichtung jüdischer Existenz 1937–1939. Metropol, Berlin 2004.
- Theresa Sepp: (Buchstaben-)Codes bei Hugo Helbing, in: ZI Spotlight, 05.05.2021
- Theresa Sepp: Typisierung der Handexemplare der Galerie Hugo Helbing und der Protokollkataloge des Kunstsalons Paul Cassirer, heiDATA, V1, 2022.
- Theresa Sepp: Zur Beziehung zwischen der Kunsthandlung Julius Böhler und der Galerie Hugo Helbing: Eine Quellen- und Datenanalyse, in: Cosima Dollansky, Christian Fuhrmeister, Birgit Jooss, Stephan Klingen, Anna-Lena Schneider (Hrsg.), Quelle und Kontext. Objekte, Akteure, Prozesse der Kunsthandlung Julius Böhler, München 2024, S. 278-290.
Links
- DFG-Projekt „Unikales Quellenmaterial zum deutschen Kunsthandel: Digitalisierung und Erschließung der Handexemplare der Kataloge des Münchner Auktionshauses Hugo Helbing (1887 bis 1937)“
- Gedenkbuch München „Hugo Helbing“
- Gedenkbuch München „Fritz Helbing“
- Munich Art to Go „Die Galerie Hugo Helbing“
- Online-Ausstellung „Hugo Helbing – Auktionen für die Welt“, Google Arts & Culture, 2016
- Wikipedia-Eintrag „Hugo Helbing“